Alltag eines Igels

Rambo, nicht grade ein Kosename meiner Meinung nach, aber mich fragt ja
Keiner. Und das wegen ein paar niedergewalzter Kabis- und
Salatsetzlinge. Ich versteh den Protest nicht, Erdbeeren find ja ganz
lecker aber
dieses Grünzeug ist absolut ungeniessbar. Und dann hat meine Garten- und
Futterfrau überall unnützen Kram herumstehen, zum Beispiel den doofen
Gartenzwerg und ein Fliegenpilz, was kann ich
dafür wenn die ständig umfallen wenn ich zwischen durch muss. Aber die
Gute hat ja keine Ahnung, dass ich ein Schwergewicht bin. Zum Glück, da
steht nämlich nebst all dem Unnötigen auch
eine – ziemlich enge – Futterkiste, aber darauf komme ich später zurück.
Jeden Abend frisch serviert bekomme ich meine Nüsse, Rosinen und –
besonders lecker – immer etwas Katzenfutter.
Eine luxuriöse Zweizimmerwohnung habe ich ebenfalls gefunden. Muss
sagen, die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, es gibt hier
mehrere Möglichkeiten den Winter warm und trocken
zu verschlafen, so habe ich all die Unterkünfte getestet. Einmal musste
ich sogar gleich zwei Artgenossen vertreiben, wollten die sich doch in
meinem Revier einnisten. Na, denen hab ich
vielleicht den Tarif durchgegeben, ordentlich fauchend und knurrend die
Verfolgung aufgenommen und bald sah ich nur noch Söleli. Die Beiden
trollten sich auf nimmer wieder sehen –
hoffe ich wenigstens. Natürlich habe ich nicht geahnt, dass ich
beobachtet werde, so bin ich nun enttarnt, die Futterration ist seither
sichtlich kleiner geworden und im Eingang meiner
Wohnung liegt immer wieder frisches Heu, weil die gwundrige Person
unbedingt wissen will wo ich grade ein- und ausgehe.
Heute hat meine Futterfrau wohl im Kompost oder einem Blumentopf
gewühlt, da steht doch, ich kann mein Glück kaum fassen, ein Teller
voller Engerlinge.
Hätte glatt noch für Gäste gereicht – aber selber fressen macht Feiss.
Und man weiss es ja, lädtst du jemanden zum Fressen ein, steht der
bestimmt am nächsten Tag wieder da,
wenn möglich sogar noch mit Geschwistern.
Nun aber zurück zu meiner Futterkiste, die Entdeckung des Jahres kann
ich euch sagen. Ich stromere so durch meinen Garten, da sind immer
Schnecken, Käfer und Spinnen unterwegs – aber nicht mehr lange.
Dann plötzlich – was erschnüffelt meine feine Nase? Dagegen kommt kein
Engerling an und ich mach mich auf die Suche. Da steht eben diese Kiste
auf dem Sitzplatz und von hier kommt auch der Duft.
Sieht erstmal aus wie mein Haus, allerdings viel kleiner was mir gar
nicht behagt. Ich umrunde das Ding, schnüffle mal hinein, wage einen
Blick ins Dunkel – noch ein Eingang. Ihr werdet jetzt staunen,
also ich bin ja gross und mutig, zwänge mich durch die beiden Löcher und
da steht es – das Schälchen mit all den Leckereien – alles für mich. So
geht das nun Abend für Abend, manchmal werde ich wieder beobachtet,
aber natürlich merke ich das normalerweise nicht. Bis zu diesem
vermaledeiten Abend wo dieses pelzige, hochbeinige Etwas um meine Kiste
streicht. Ich sitze hier eine gefühlte Ewigkeit fest weil die lästige Mieze
das Futter riecht, welches inzwischen längst vernichtet ist. Ausserdem –
vergiss es – keine Chance, da kommt kein noch so schlanker Stubentiger
rein. Also, wenn ihr jetzt denkt ich hätte Angst vor einer Katze –
natürlich nicht, aber schliesslich muss man sich ja eine Verteidigungs-
oder Angriffsstrategie zurecht basteln und das dauert eben.
Nach einer Stunde des Ausharrens streck ich mal vorsichtig die Nase
raus, zum Glück ist die Katze abgezischt und die Luft wieder rein zur
Fortsetzung meiner Nachtwanderung.
Nicht der Abenteuer genug, eines Abends droht eine neue Gefahr.
Ausgerechnet von meiner Futterfrau – der hätte ich am Allerwenigsten
zugetraut, dass sie mir einen solchen Schrecken einjagen könnte.
Da sitz ich also nichtsahnend, fühle mich wie Gott in Frankreich und
geniesse mein Mahl. Voll in die Falle getappt, eben das letzte Brösel
aufgeleckt fällt Licht ins Dunkel – lederbehandschuhte Finger krallen
mich – das war meine Henkersmahlzeit.
Natürlich gebe ich nicht so ohne Gegenwehr auf, all meine 7000 Stacheln,
vielleicht sind es auch ein zwei drei weniger, wie Speere auf den Feind
gerichtet kugele ich mich zusammen in Erwartung meines letzten
Stündchens. Autsch – lass den Quatsch, diese zupferei grenzt an Folter –
Tierquälerei – jawollll!
Keine Privatsphäre, jetzt werde ich sogar auf den Rücken gelegt, will
wohl meinen feinbehaarten Bauch sehen – meine Angriffsfläche – kommt
nicht in Frage, kannst du glatt vergessen. Mit aller Muskelkraft drücke
ich meine Nase fest auf den Bauch und rolle mich zur Kugel. Könnte glatt
einem Seeigel Konkurrenz machen.
Zumindest fast, hier rächt sich mein Motto „Wohlgenährt in den Winter“,
wenn die Zeckenzange im Einsatz ist wäre ich gern ein schlankes
Igelchen, denn mit Speckbauch rollt es sich doch nicht so vollkommen.
Dieses Erlebnis hat mich dann doch ordentlich geschockt. Und der
Wiedergutmachungsversuch mit der Feige ist angekommen, aber damit ist
noch längst nicht alles vergessen und vergeben.
Aus Protest gegen diese Misshandlung setzte ich einen ordentlichen Haufen
neben den Teller, verlasse hocherhobenen Hauptes und voll bewaffnet die
Kiste – nichts wie weg, ab in die Büsche.
Wenn bloss der verflixte Duft und mein Appetit nicht wär, trotz aller
Widrigkeiten zieht es mich bereits am nächsten Tag wieder zum
Futterplatz. Zum Glück ohne weitere Störung. Den heimlichen Beobachter
strafe ich mit Nichtbeachten.

Ich bin wieder da
Abgespeckt aus dem Winterschlaf erwacht walze ich wieder durch Gestrüpp
und Garten. Ich setze gerade alles daran, mein „Rambo“-Gewicht wieder
anzufuttern. Meine Futterfrau meint ich fresse wie ein Mähdrescher.
Das ich als Erstes MEINE Futterkiste markiert habe findet sie nicht so
toll, soll meine Sch..haufen nicht um und im Futterteller platzieren – aber
1. ist das nun mal Igelmanier
2. hat man Feinderfahrung vom letzten Herbst
3. hat die lästige Katze kaum Diebesgelüster wenn’s da etwas streng riecht
„Es hät solangs hät“, nach der Starthilfe in den Frühling inklusiv
Wurmkur muss ich – als königlicher Schnecken- und Käferjäger meines
Reviers – wohl oder übel demnächst wieder selber auf Futtersuche gehen.
Entgegen anderer Gartenfreunde hoffe ich auf ein Maikäferjahr – wär doch
lecker – oder?

 

Eine Gespielin für Rambo
Da bin ich schon wieder. Eben aus dem Winterschlaf zurück gemeldet, habe ich zwei gute Neuigkeiten. Erstens – ich bin nicht der Vielfrass als den ich immer dargestellt werde. Zweitens – Ich habe eine heimliche Mitesserin. Sie hat das Igelhaus im Bambus entdeckt und baut dort ein Nest. Ganz schön fleissig das Mädel. Dutzendmale kämpft sie sich jede Nacht durchs Geäst, sammelt was an Nistmaterial herum liegt und schleppt es durch den engen Eingang. Aber heute erwartet sie eine Überraschung – nicht von mir – nein – ich bleibe Beobachter und halte mich vornehm zurück. Nestbau ist nämlich unglaublich anstrengend und demzufolge Frauensache. Aber unsere Futterfrau hat sich wieder einmal bemüht, Moos gesammelt und zusammen mit einer grossen Handvoll Stroh und Heu frei Haus geliefert. Ob ihr das gefällt „meiner Philomena“? Noch wichtiger aber – dass ich ihr gefalle? – Die Aussichten stehen nicht schlecht, so einen stattlichen Kerl wie mich trifft man schliesslich nicht alle Tage. Und mal ehrlich – wäre doch cool, und ich natürlich mächtig stolz, wenn in ein paar Wochen ein halbes Dutzend kleiner, stachliger Rambos den Garten erkunden würden.
Und wie ich nun mal bin – nicht ganz uneigennützig – sichert mir eine Familie weitere Futterrationen wann immer das Wetter igelunfreundlich ist.

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